Im Rahmen von „Alemannia verkauft man nicht“ haben wir bereits vor drei Wochen der Ultragruppierung „Fanatico Boys“ aus Heidenheim Fragen zu unserer Kampagne beantwortet. Nachzulesen ist das Interview hier in ihrem Spieltagsflyer ab Seite 8 oder im nachfolgenden Text.
Könntet ihr zu Beginn, für die weniger informierten Personen, eure Initiative gegen den geplanten Investor kurz vorstellen?
Die Yellow Connection und die Fan IG (Interessengemeinschaft der Alemannia Fans) haben sich bis zur Gründung der Kampagne „Alemannia verkauft man nicht“ als einzige aktiv mit dem Thema Investor beschäftigt und Aktionen diesbezüglich durchgeführt. Da beide Parteien zudem unterschiedliche Personenkreise ansprechen, war es sinnvoll, sich trotz vieler Differenzen bei anderen Themen zum Wohle des Vereins zusammenzuschließen und den Kampf von nun gemeinsam zu führen. Die besagte Kampagne dient uns als Informations- und Aufklärungsplattform und ist der Dreh- und Angelpunkt beim Kampf gegen einen Investoreneinstieg. Die Kampagne wird zudem von allen wichtigen Fanclubs unterstützt, die den Initiatoren bei ihrer Arbeit helfen. Von der gesamten Fanszene wurde sie unabhängig von der eigenen Haltung zu einem Investoreneinstieg sehr positiv aufgenommen, da sie als einzige Institution in Aachen öffentlich sachliche Argumente gegen die Luftschlösser der dilettantischen Vereinsführung liefert.
Als Außenstehender kam die Information, dass die Alemannia auf der Suche nach einem Investor ist, sehr überraschend. War diese Entscheidung für euch ebenfalls nicht vorhersehbar oder kündigte sich das schon seit Längerem an?
Der Verein stand seit der Insolvenz nie wirklich auf gesunden Füßen, ausschlaggebend sind nach wie vor der Bau des überdimensionierten und bereits maroden Stadions und des Parkhauses mit integriertem Trainingsplatz. Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens führten zudem falsche Entscheidungen und das Streben nach schnellem Erfolg des Aufsichtsrats und der Geschäftsführung zur beeindruckend schnellen Anhäufung des nächsten Schuldenbergs. Dass es finanziell eng wird und wir externes Geld benötigen, um weiterhin den aktuellen Etat stemmen zu können, wurde uns als YC Ende 2015 durch den Geschäftsführer in einem persönlichen Gespräch inoffiziell mitgeteilt. Er nannte damals die Optionen Kredit und Investor. Wenige Monate später wurde dies dann offiziell bestätigt.
Wie steht ihr als Szene zu dieser Entscheidung und welche Konsequenzen werdet ihr ziehen, sollte ein Investor bei euch einsteigen?
Die Ultraszene lehnt einen Investoreneinstieg, egal zu wieviel Prozent, klar ab, da gibt es keine zwei Meinungen. Die zweite Frage können wir allerdings nur als YC beantworten, da wir diesen Fall innerhalb der Szene bisher nur sehr oberflächlich besprochen haben. Erstmal sind einfach noch andere Dinge wichtiger. Im Falle eines Verkaufs sind wir uns als Gruppe einig, dass wir auf keinen Fall so weiter machen würden wie bisher. Wie weit wir unser Engagement runter fahren würden und ob wir uns sogar ganz zurückziehen würden, das werden wir aber erst entscheiden, wenn der Fall wirklich eintritt. Bis dahin setzen wir unsere gesamte Energie dafür ein, diese Entscheidung niemals treffen zu müssen.
Wie ist die aktuelle Situation im Verein und das Verhältnis zwischen Fans und Geschäftsführer? Welche weiteren Schritte hat eure Initiative geplant?
Die Stimmung könnte eigentlich schlechter nicht sein. Der Aufsichtsrat wurschtelt völlig unkontrolliert vor sich hin und überbietet sich im Dilettantismus. Der Geschäftsführer bewies eigentlich schon zu Beginn, dass er für diesen Job völlig ungeeignet ist. Jeder der das Vergnügen hatte mit ihm zu sprechen, kann das nur bestätigen. Seine Maßnahmen werden immer abenteuerlicher. Das kollektive Verbot, bei Auswärtsspielen Fahnen in den Block bringen zu dürfen, ist nur die Spitze. Er versucht die Meinungsfreiheit deutlich zu beschneiden und damit unseren Kampf gegen einen Investor zu unterbinden. All unsere sachlichen Aktionen mussten wir „illegal“ durchziehen und öffentlich heult er dann über die Art und Weise der Aktionen. Das unangemeldete Verteilen von Infoflyern zum Thema Investor stellte er beispielsweise auf eine Stufe mit Gewalttaten.
Über weitere Schritte unserer Kampagne wollen wir aus strategischen Gründen keine Auskunft geben.
Ein Investor im Profifußball ist nicht mehr selten, ob es nun München oder Hamburg ist. Selbst Projekte wie Hoffenheim sind heutzutage schon beinahe normal. Wo seht ihr dafür die Ursachen dafür und wieso wird eurer Meinung nach nun auch in den unteren Ligen damit angefangen?
Zunächst muss man zwischen Investoren und Mäzen unterscheiden. Investoren wollen Geld verdienen, bei Mäzen sind die Geschlechtsorgane unterentwickelt. Für beide ist die enorme Aufmerksamkeit ausschlaggebend, die man durch den Fußball bekommt. Red Bull und Volkswagen wollen zum Beispiel durch ihr Investment den Bekanntheitsgrad ihrer Produkte erhöhen. Und das geht beim populären Fußball einfach besser als beim Hallenhalma. Auch die enormen Geldsummen, die mittlerweile beim Fußball fließen, locken die Geldgeier an, auch wenn nur die wenigsten Vereine wirklich Profit abwerfen. Das Problem ist aber nicht, dass es gemacht wird, das Problem ist, dass es erlaubt ist.
Diese Entwicklung führt dazu, dass immer mehr Traditionsvereine in die Unterklassigkeit getrieben werden. Bei deren Fanszenen ist die Sehnsucht nach dem alten Erfolg groß und die Bereitschaft die eigene Seele dafür zu verkaufen dementsprechend größer als bei höherklassigen Vereinen. Es liegen zudem meist noch höherklassige Strukturen vor, für Investoren also interessante Bedingungen. Bei Dorfvereinen ist zudem der Widerstand gegen externe Geldgeber gering, ideale Bedingungen für Projekte wie RB Leipzig.
Wie ist das Vorgehen des geplanten Einstieges mit der 50+1 Regel zu vereinbaren?
Zunächst sollen nur 49,9% der Anteile verkauft werden, da momentan aufgrund der angesprochenen 50+1 Regel nicht mehr erlaubt ist. Allerdings wollen die Investoren auf jeden Fall 80% der Anteile übernehmen, deswegen soll bei der geplanten Abstimmung auch direkt über den Verkauf der restlichen 30,1% bei Fall der 50+1 Regel mit abgestimmt werden. Der totale Ausverkauf stände dann zwar erstmal nur auf dem Papier, wäre ab dann aber nicht mehr zu verhindern.