Der Insolvenzverwalter Dr. Andreas Röpke hat uns im Rahmen der Kampagne “Alemannia verkauft man nicht” einige Fragen zum Insolvenzrecht beantwortet, die für unsere Alemannia derzeit relevant sind, auch bezüglich eines potentiellen Investoreinstiegs. Herr Dr. Röpke war bisher unter anderem mit den Insolvenzen des Erstliga-Eishockeyteams der Duisburger Füchse, des Frauenfußball-Bundesligist FCR Duisburg und des Caterers Arena-Catering GmbH des MSV Duisburgs betraut.
Wer bestimmt den Insolvenzverwalter? Hat das insolvente Unternehmen einen Einfluss hierauf?
Das kommt auf den Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung (§ 270 b InsO, Gericht ist an Vorschlag geeigneter Person bei lediglich drohend zahlungsunfähigen Schuldner gebunden) gegebenenfalls auch auf die Größe des Unternehmens (Wahl durch vorläufigen Gläubigerausschuss bei mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften) an. Ich glaube nicht, ohne es genau zu wissen, dass die Bilanzsumme bei der Alemannia bei 5 Mio. € liegt, ich glaube auch nicht, dass der Umsatz bei knapp unter 10 Mio. € liegt im Jahr. Trotz der sicher mehr als 50 Arbeitnehmer dürfte es sich um eine kleine Kapitalgesellschaft handeln, für die gesetzlich kein vorläufiger Gläubigerausschuss vorgeschrieben ist. Vor dem Hintergrund dürfte die Alemannia den Insolvenzverwalter wahrscheinlich nicht selber bestimmen. Man hat natürlich ein Vorschlagsrecht, ob das Gericht dem folgt, da ist man angewiesen auf den Insolvenzrichter, der dafür zuständig ist.
Die meisten Fußballvereine haben eine Kapitalgesellschaft ausgegliedert, über die der Spielbetrieb organisiert wird. Wenn diese Kapitalgesellschaft nun Insolvenz anmelden muss, welchen Einfluss darf der Mutterverein dann noch auf diese Kapitalgesellschaft ausüben?
Wenn der Mutterverein Gesellschafter (Anmerk. d. Red.: Teilhaber der Gesellschaft) der Kapitalgesellschaft ist, dann kann er denselben Einfluss wie jeder andere Gesellschafter auch ausüben. Bei Sportvereinen ist es etwas verquickter, denn neben den normalen Gesellschafterrechten kommen häufig ja noch Sachen wie Markenrechte etc. ins Spiel, die üblicherweise beim Verein liegen und nicht bei der Spielbetriebs-GmbH. Das dürfte bei Alemannia ja wahrscheinlich ähnlich sein. Deshalb hat sich ja der Verein in der Vergangenheit mit Herrn Kölmel einigen müssen und nicht die GmbH.
Das weiß keiner ganz genau in Aachen. Infront ist Vermarkter der Alemannia gewesen und hat den Vertrag jetzt gekündigt. Inwieweit diese Vermarktungsrechte haben oder abtreten…
Gut, wenn die gekündigt haben sind sie mutmaßlich raus. Aber ich gehe davon aus, dass das Recht an der Marke „Alemannia Aachen“ beim Verein liegt und nicht durch die Vertragsauflösung an die Spielbetriebs-GmbH zurückgefallen ist, weil es mutmaßlich nie in der Spielbetriebs-GmbH war.
Genau. Zudem hat der Kölmel die Alemannia 1999 mit 2 Mio. DM vor der Insolvenz gerettet, Alemannia hat ihm das Geld nie zurückgezahlt. Es gibt einen Vertrag zwischen Kölmel, der GmbH und dem e.V., dass anstatt dem Geld 15% der TV-Einnahmen ab dem Aufstieg in die dritte Liga für zwölf Jahre abgetreten werden. Und da ist die Frage, wie das später aufgelöst wird.
Das hängt jetzt sehr davon ab, ob die Rechte bei der GmbH liegen (dann kann Herr Kölmel die Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden) oder ob die Rechte beim Verein liegen. Dann wird er über den Verein unabhängig von der Spielbetriebs-GmbH weiterhin berechtigt sein.
Zu diesem Punkt wurde auch letzte Woche auf der Informationsveranstaltung gesagt, dass geprüft werden muss, zwischen wem der Vertrag genau besteht.
Genau das ist es, worauf es ankommen wird und wo man nochmal Einfluss nehmen kann. Allerdings ist die Spielbetriebs-GmbH nichts anderes als eine Hülle. Die hat unter anderem als stille Reserven die Marktwerte der Spieler, ansonsten hat die halt nicht viel. Das Recht am Logo der Alemannia etc. wird nicht bei der Spielbetriebs-GmbH liegen. Der Sinn einer Spielbetriebsgesellschaft ist es, das Risiko auszulagern. Was will man schützen: Die Vereinsidentität.
Könnte ein Gläubiger seine Forderungen gegenüber der GmbH in Gesellschaftsanteile umwandeln? Wenn ja, wer fällt die Entscheidung darüber?
Ja das geht, gemäß dem ESUG (Anmerk. d. Red.: Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) und das nennt man „Debt to Equity Swap“. Schulden gegen Eigenkapital – das würde man sinnvollerweise in einem Insolvenzplan machen. Das könnte theoretisch eine gute Idee sein, hängt davon ab, wer der Gläubiger ist. Die Entscheidung über einen Insolvenzplan trifft die Gläubigerversammlung, das heißt alle Gläubiger. Allerdings, wenn man durch den Plan besser steht als man ohne Plan stünde, kann man überstimmt werden.
Das heißt der Insolvenzverwalter ist für die Entscheidung irrelevant?
Der kann einen Plan vorlegen.
Gibt es Neuigkeiten bezüglich des Steuererlasses bei Insolvenzgewinnen?
Es gibt seit vier Tagen eine neue Richtlinie des Bundesministeriums der Finanzen. Die wurde am Freitag (Anmerk. d. Red.: 28.04.2017) vorgestellt. Die Gesetzesgrundlage ist jetzt gerade durch den Bundestag, die wurde jetzt kurzfristig in ein Gesetzgebungsvorhaben aufgenommen, der Bundesrat muss noch zustimmen. Die haben sich vorher schon abgestimmt, das wird also jetzt mutmaßlich kurzfristig durchgehen. Es musste sehr schnell gestrickt werden, denn es gibt viele Großinsolvenzen, bei denen wir gerade tatsächlich Probleme haben, weil einfach die Rechtssicherheit fehlt. Das wird irgendwann in diesem Jahr veröffentlicht. Tritt allerdings erst in Kraft, wenn die entsprechende Kommission der EU mitgeteilt hat, dass sie es auch nicht für beihilferechtswidrig hält. Dann tritt es aber rückwirkend in Kraft. Allerdings gilt es nicht für all das, was vor diesem Urteil war. Da hat die Finanzverwaltung etwas gemacht, was man ihr nicht zugetraut hat. Die hat gesagt: Sind wir mal ganz pragmatisch, diejenigen, die entweder eine verbindliche Auskunft hatten (das hat die Alemannia nicht gehabt) oder bei denen die Voraussetzungen vorgelegen haben, die eigentlich hätten vorliegen müssen (d.h. Verzicht aller anderen Gläubiger) und zwar zu dem Zeitpunkt, als diese neue Rechtsprechung kam, für die wird rückwirkend die alte Richtlinie angewandt. Da dürfte die Alemannia, ohne dass ich es genau weiß, drunter fallen. Denn das Verfahren wurde ja durch einen Plan aufgehoben, die Gläubigerverzichte sind also schon wirksam gewesen. Das heißt die Versteuerung des Sanierungsgewinns aus Verfahren 1 dürfte jetzt kein Thema mehr sein.
Kann ein Fußballverein durch eine Insolvenz attraktiver für Investoren werden, da dieser verhältnismäßig “einfacher” zu bekommen ist?
Nein, es gibt mehr Fußballvereine die nach Investoren suchen, als Investoren nach Fußballvereinen. Wenn ich in den Fußball investieren will, dann bekomme ich wahrscheinlich ziemlich viele Vereine auf dem Silbertablett serviert bei denen man sich melden kann. Klar ist, dass man günstiger an Shares (Anmerk. d. Red.: Anteile) kommt, wenn man wirklich ganz am Boden ist. Aber dafür ist das Wiederaufstellen auch wesentlich teurer. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies eine Geschäftsidee ist. Auch kann ich mir definitiv nicht vorstellen, dass diese Insolvenz irgendetwas damit zu tun haben kann. Dafür ist es viel zu existenziell was hier gerade abgeht.
Wie sind die Stimmanteile bei der Gläubigerversammlung verteilt?
Das Stimmrecht richtet sich nach der Höhe der festgestellten Forderungen, das heißt, wer die meisten Forderungen hat, hat das größte Stimmrecht. Allerdings braucht man für manches nicht nur Summen, sondern auch Kopfmehrheiten, so im Insolvenzplan. Und da zählt dann wieder jeder Gläubiger einzeln. Und ihr werdet überrascht sein, wie wenig Interesse die meisten Gläubiger haben.
Besteht die Möglichkeit, dass ein Gläubiger den anderen ihre Forderungen abkauft/übernimmt um einen größeren Einfluss auf den Verlauf des Insolvenzverfahrens zu erhalten?
Ja. Die Möglichkeit gibt es durchaus. Das macht auch durchaus Sinn und passiert dementsprechend auch öfter. Also mal ganz ehrlich: Wer jetzt eine Forderung gegen die Alemannia hat, und ich geh da hin und sag’, was meinste denn was kriegst du im Verfahren – ja so 2-3 Prozent – ich geb dir zehn Prozent vom Nominalwert, da macht doch mehr als jeder zweite mit. Dann hat man also für zehn Prozent 100 Prozent Forderungen gekauft und dann kann man gucken, wieviel bekommt man wirklich. Allerdings, ohne Kenntnis von irgendwelchen Verfahrensdetails, ich kann mir nicht vorstellen, dass hier irgendein Investor sagt ich möchte hier gerne Anteile kaufen, um mich als Investor hier durchzudrücken. Die Marke Alemannia ist durch das zweite Insolvenzverfahren stark beschädigt. Also, das sind jetzt nicht die, die einmal Pleite waren, sondern das sind die, die einmal Pleite waren und dann wieder Pleite gegangen sind. Und das sehr schnell. Und es gibt wirklich viele andere Traditionsvereine, die Investoren suchen.
In der Insolvenz übernimmt das Arbeitsamt die Gehaltszahlungen. Welche Bedingungen gelten hierfür und wie lange werden diese Zahlungen übernommen?
Maximal drei netto Monatsgehälter. Bedingung für eine Vorfinanzierung ist, dass der Arbeitsplatz später noch überwiegend wahrscheinlich besteht. [Das Arbeitsamt] Übernimmt nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung, ungefähr 6350€ brutto. Wenn es Spieler gibt, die mehr als das verdient haben, gibt es ein Delta, das das Arbeitsamt nicht übernimmt. Das übernimmt manchmal der vorläufige Insolvenzverwalter, wenn er Geld hat, und manchmal auch gar keiner. Die Insolvenzgeldforderung wird mit Verfahrenseröffnung eine Insolvenzforderung.
Braucht ein insolventes Unternehmen bereits in der Insolvenz einen (neuen) Geschäftsführer und wenn ja, ab wann und warum?
Man braucht immer einen Geschäftsführer. Der Geschäftsführer ist der Vertreter der Schuldnerin, er muss die Schreiben vom Gericht in Empfang nehmen. Dies kann nur ein Vertretungsorgan. Ein Organ wird es immer geben müssen. Wenn es keinen Geschäftsführer gibt, wird ein Notgeschäftsführer bestellt. Timo Skrypski ist meines Wissens nach noch Geschäftsführer, ab Ende seines Arbeitsverhältnisses wird ein neues Vertretungsorgan bestellt werden müssen.
Wann ist ein Insolvenzverfahren beendet? Gibt es hierfür gesetzliche Auflagen oder ist es alleine eine Ermessensentscheidung des Insolvenzverwalters? Und dürfen hierbei noch andere mitreden?
Beendet ist das Insolvenzverfahren dann, wenn die Verwertung der Aktivmasse abgeschlossen ist und der Insolvenzverwalter seine Schlussrechnung gelegt hat. Man kann die Insolvenz natürlich auch mit einem Plan beenden, das ist ja passiert bei der ersten Insolvenz. Man hat gesagt, es gibt noch Forderungen, die wir noch nicht drin haben. Hierfür gründen wir eine Zweckgesellschaft, die die weiter eintreiben und dann später verteilen darf. Das geht auch, um so ein Verfahren abzukürzen.
In welchem Zustand verlässt ein Verein das Insolvenzverfahren? Völlig unbelastet von der Vergangenheit oder können immer noch Altschulden vorliegen?
Es hängt davon ab. Beispiel Vergleich Kölmel: Alles was über den Verein noch an finanzieller Belastung für die Zukunft hängenbleibt, belastet natürlich auch die jeweilige Spielbetriebsgesellschaft. Der Verein wird ja auch bei der „neuen“ GmbH wieder Gesellschafter sein. Die Kapitalgesellschaft ist nach einem Insolvenzplan grundsätzlich schuldenfrei, es sei denn der Insolvenzplan sieht etwas anderes vor. Die Alemannia hat keine Schulden aus dem ersten Verfahren gehabt. Ausnahme: Damoklesschwert Besteuerung Sanierungsgewinn. Man kann im Plan aber auch sagen, wir machen das mit einem Besserungsschein: Also wir wirtschaften jetzt weiter und von den Gewinnen müssen jetzt jährlich 5,10 oder wieviel Prozent auch immer ausgeschüttet werden. Aber ich glaube nicht, dass jemand die Illusion hat, dass es einen Gewinn aus dem Spielbetrieb gibt.
Herr Dr. Röpke, vielen Dank für dieses Interview!